Unsere erste Etappe führte uns zum Ksar Tafnidilt – einem dieser Orte, die man nur über eine Piste durch weiche Sandfelder erreicht. Genau deshalb ist er vielleicht bei Overlandern so beliebt. Die Kasbah, geführt von einer charmanten Französin, liegt traumhaft in der Landschaft. Kaum waren wir auf der Piste, durfte auch unsere Reifendruckregelanlage wieder zeigen, was sie kann: Luft raus, Traktion rein. Im Sand wirkt das Wunder. Unterwegs passierten wir ein altes Fort aus der französischen Kolonialzeit, das nach Marokkos Unabhängigkeit 1956 aufgegeben wurde und heute still vor sich hin zerfällt. Es thront spektakulär auf einer Anhöhe mit Rundumblick – ein Ort, der fast zu schön ist, um einfach vorbeizufahren. Dort trafen wir zwei andere Reisepaare, die uns wertvolle Tipps für die kommende Route gaben.
Unsere Reise führte uns anschließend ins Tal von Amtoudi. Auf dem Campingplatz dort begegneten wir zwei alten Bekannten wieder – sie hatten vor Jahren unseren Willi kaufen wollen. Nun stehen sie mit einem stattlichen Mercedes 1428 da, ausgebaut vom gleichen Betrieb wie unser damaliger Willi. Es war sehr nett, sich über die bisherigen Reiseerfahrungen auszutauschen. Gemeinsam wanderten wir hinauf zum Agadir Id Aissa, einer traditionellen Berber-Speicherburg. Manche Orte entdeckt man nicht – ihnen begegnet man. Der Agadir ist genau so ein Ort. Eingebettet zwischen ockerfarbenen Granitfelsen des Anti-Atlas, wo das Morgenlicht wie flüssiges Gold durch die Täler rinnt, erhebt sich die jahrhundertealte Festung wie ein stiller Wächter über die Landschaft. Während wir den schmalen Pfad erklommen, wurde uns klar, warum die Menschen über Generationen ihre wertvollsten Güter hier lagerten. Massive Mauern, kunstvoll bemalte Holztüren und ausgetretene Stufen erzählen Geschichten von Gemeinschaft, Leben und Überleben. Und wer oben steht, blickt nicht nur ins Tal – sondern ein Stück in Marokkos Vergangenheit.
Am nächsten Tag fuhren wir weiter zur Schlucht von Aoukerda, einem beeindruckenden Canyon mit steilen Felswänden, hunderte Meter hoch. Das Flussbett im Tal ist heute meist trocken, nur vereinzelte Palmen spenden Schatten. Wegen seines Ausmaßes wird die Schlucht gerne der „Grand Canyon Marokkos“ genannt. Die Zufahrt war allerdings eine Herausforderung – die Schäden der Sturzflut vom September 2024 waren noch überall sichtbar. Über 20 Menschen kamen damals ums Leben. Umso hoffnungsvoller wirkt der Name eines viereckigen Lochs im Felsen: „Fenster des Lebens“. Ein schöner Gedanke inmitten der dramatischen Kulisse.
Ein weiteres Highlight wartete bei den Painted Rocks nahe Tafraout: riesige Granitblöcke, die in den 1980ern vom belgischen Land-Art-Künstler Jean Vérame bemalt wurden – rund 18 Tonnen Farbe sollen dabei im Einsatz gewesen sein. In Tafraoute selbst fanden wir einen großartigen Stellplatz: Die Gemeinde stellt am Ortsrand eine riesige Fläche für nur 1,50 € pro Nacht bereit. Ein echtes Geschenk.
Natürlich klingt das alles fast zu glatt – als würde ein Highlight nahtlos ins nächste übergehen. Die Realität sieht, wie immer, etwas bunter aus. So verabschiedete sich unterwegs die Arretierung unseres Einstiegspodests und später die Schraube des Türknaufs. Dann machte die Servolenkung merkwürdige Geräusche, und auf Teer entdeckte ich schließlich einen verräterischen Ölfleck unter dem Auto. Die Ferndiagnose meines Neffen ergab eine undichte Ölleitung der Servo – zum Glück ein Problem, das ich selbst beheben konnte. Frisches Öl aufzutreiben war ebenfalls kein Hexenwerk. Weniger erfreulich: In Tafraoute erwischte mich eine Magenverstimmung, die mich für einen Tag komplett außer Gefecht setzte. Zum Glück ging’s schnell wieder bergauf – und wenigstens bekam Renate in dieser Zeit endlich einen dringend nötigen Haarschnitt. Der Friseur kam ganz unkompliziert direkt an unser Fahrzeug. Wenn doch alle Herausforderungen so einfach zu lösen wären …






